Lukas Gerber verfasste einen Artikel fürs Mennonitische Jahresbuch 2025, das unter dem Titel “Heimat” erschienen ist.
Zum Mennonitischen Jahresbuch 2025
Welt – Wie im Himmel so auf Erden?
Ein Alltagsbeispiel: Du sitzt mit deiner Familie am reich gedeckten Tisch und genießt die Gemeinschaft. Dann schleicht sich kurz der Gedanke ins Bewusstsein: Wie viele dieser Produkte auf dem Tisch könnten eine Geschichte der Ungerechtigkeit erzählen?
Und schon sind wir mitten in einem Spannungsfeld. Viele Menschen verfallen dann in das eine oder andere Extrem: Wir sind berührt von der Not anderer und wollen die ganze Welt retten, sind aber alsbald ziemlich frustriert. Spätestens wenn wir feststellen, dass Politik ständig Scherben produziert und wir mit Aufwischen nicht hinterherkommen, stellt sich Frust ein. Die Versuchung ist groß, dass wir umschwenken und nach dem Motto „nach mir die Sintflut“ leben.
Gegenüber diesen Einseitigkeiten gibt es eine verheißungsvollere Alternative: Wir gehen Schritte, die in unseren Möglichkeiten stehen. Das kann für jemanden bedeuten, Menschen im Gefängnis zu besuchen, die äußerlich und innerlich ihre Heimat verloren haben. Jemand anderes trotzt dem überdimensionalen Konsum und pflanzt und gärtnert stattdessen, damit Insekten Heimat finden, die auch einen Teil der Schöpfung sind. In Spannung zu leben, bedeutet, im Jetzt zu leben, aber dennoch die großen Friedensvisionen nicht aus den Augen zu verlieren.
Bibel – Eine Spurensuche
Intakte Beziehungen sind eine Voraussetzung für Frieden, das wird in der Bibel am Auszug aus Ägypten sichtbar. Das Volk Israel empfängt auf dem Weg zum verheißenen Land eine neue Ordnung, die Zehn Gebote. Dieser gesetzliche Rahmen, der etwa den Ruhetag beinhaltete, gilt sogar für Sklaven und Tiere. Durch diese Ordnung haben alle ein Stückweit Heimat.
Auch im Neuen Testament finden Ausgegrenzte eine Heimat. Jesus wendet sich den Schwachen seiner Zeit ganz besonders zu, z.B. Menschen mit Aussatz. Aufgrund ihrer hohen Ansteckungsgefahr mussten sie außerhalb der Gemeinschaft leben. Jesus heilte sie aber, so dass sie wieder in die Gemeinschaft aufgenommen werden konnten. Jesus redete nicht nur mit Aussätzigen, sondern auch mit Reichen, wie etwa dem Zöllner Zachäus. Gemessen an monetären Kriterien hatte dieser die Mittel, seine Heimat selbst zu gestalten. Aufgrund der Zusammenarbeit mit den Römern erntete er aber Verachtung von seinem Volk. Er war innerlich heimatlos und Jesus gab ihm eine neue Identität.
Kirche – Mittendrin
Ohne dass wir es bewusst wahrnehmen, sind wir im Alltag ständig Liturgien ausgesetzt: Die Textilindustriewerbung sagt uns z.B. was „schön“ ist. Oder die Wissenschaft legt fest, was richtig und was falsch ist. Wenn Bernhard Ott Kirche beschreibt, dann nutzt er das Bild einer Tanzschule: Kirche ist ein Ort, an dem die Musik des Himmels eingeübt werden kann. So können im Gottesdienst verschobene Verhältnisse wieder gerade gerückt werden. Im Kontrast zum Alltag kann der Gottesdienst ein Ort sein, an dem wir eine andere Perspektive erhalten.
So sind Lieder und Gebete nicht nur eine rein geistliche Angelegenheit, sondern sie sind auch ein politisches Statement. Bekundungen wie „Du bist Herr“ kommen typischerweise in totalitären Systemen nicht gut an. Kirche kann zu einem Ort werden, an dem Verhältnisse gerade gerückt werden und Gerechtigkeit bruchstückhaft sichtbar wird.
Ich selbst – Eine andere Welt ist möglich
Welche Welt soll es sein? Am besten fangen wir bei uns selbst an. Indem ich Schritte gehe, um eine andere Welt zu gestalten, merke ich, dass ich mich selbst in diese andere Welt mitnehme. Möglicherweise stelle ich fest, dass ich selbst in mir gefangen bin. Meistens kann ich nur Schritte der Veränderung gehen, wenn ich mich auf andere einlasse.
Aus einer christlichen Perspektive braucht es einen Lebensstil, der von der Kontemplation in die Aktion führt. Und von der Aktion wieder zurück in die Kontemplation. In einer Welt, die vielen Heimat bieten soll, ist beides wichtig: Das ich auf mich schaue und das ich zu anderen schaue. Oder biblisch ausgedrückt: Hören, Gott lieben, mich selbst lieben und den Nächsten lieben.
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