Klima – ja, auch da braucht es Gebete!

Ruth und Charly Gerber kommen als Teilnehmende ans Klimagebet nach Bern und fragen sich: Für was werden wir wohl am Klimagebet beten? Und Lukas Gerber wird dann selbst überrascht, obwohl er es als Teil des Organisationsteams mitvorbereitet hat. Hier erfährst Du zwei verschiedene Perspektiven zum Klimagebet am 30. September in der Heiliggeistkirche.

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Klimagebet_23.09.30
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6 Oktober 2023
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Beten

Klima und Gebet – passt das zusammen?

Ein persönlicher Erlebnisbericht von Ruth und Charly Gerber

Wir stehen am Eingang der Heiliggeistkirche in Bern und sehen ein volles Gotteshaus. Junge und Ältere, Familien und SeniorInnen haben sich versammelt und sitzen erwartungsvoll in den Bänken. Kein Einstimmen der Massen in einen Schlachtruf. Die Stimmung: andächtig und fröhlich.

Eine Allianz aus Kirchen und verschiedenen Organisationen haben zum Klimagebet eingeladen. Klima und Gebet ist bei näherem Nachdenken eine nicht alltägliche Wortverbindung. Was betet man eigentlich bei einem Klima-Gebet? Um ein Wunder? Um die grosse Einsicht und Umkehr? Um Veränderung von Kirchen und Systemen? Oder spricht man sogar ein Dankgebet, dass man mit Gott sorgefreier ist? Die Spannung steigt.

Was wir erfahren, ist Stärkung im Einsatz für eine gerechtere Welt. Wir werden bewegt, ermutigt und gestärkt. Gesang und Textlesungen, Musik und Psalmen, freies Gebet und Bekenntnis, Austausch und Stille wechseln sich ab. Besonders eindrücklich erleben wir das Vater-Unser in einer ökologischen Version (Link).

Der Tag hat uns gezeigt, dass es mehrere Elemente in unserem Leben und Wirken braucht: Vernetzung, Kontemplation und Aktion. Das Klimagebet am Samstag, 30. September war eingebettet in einen intensiven Tag mit Netzwerktreffen von StopArmut am Vormittag und Klimademo mit 60’000 TeilnehmerInnen im Anschluss. Mittendrin ein Gebet, das sich der Welt zuwandte und uns in Demut auf Gott hoffen, aber dennoch – oder gerade deswegen – handlungsfähig lässt.

Ja, wir können mit Fulbert Steffensky sagen, das Klima geht uns ChristInnen etwas an: Hoffen heisst handeln, als wäre Rettung möglich!

Ruth und Charly Gerber-Maekelborger, Mennonitengemeinde Schänzli (Basel)


Unspektakulär und doch ergreifend

Eine Einordung des Klimagebets von Lukas Gerber

Es gibt sie. Momente, die einen selbst überraschen. Eine Überraschung zeichnet sich darin aus, dass es einen Augenblick gibt, der sich nicht wie in geplanter Weise abspielt.

Klimagebet mit anschließender Klimademo klingt in den Ohren der einen nach ununterscheidbarer grüner Partei und grüner Religion, jedenfalls Hauptsache grün, während es in den Ohren der anderen 5 vor 12 läutet.

Wie kann es bei derartigen Fronten noch ein Momentum geben?

Papst Benedikt XVI hielt 2011 unter Protest einiger Abgeordneten eine Rede im Deutschen Bundestag. Die Überraschung war nicht das Fernbleiben einiger Abgeordneten, sondern für viele lag das Unerwartete mitten in seiner Rede; er erwähnte die ökologische Bewegung in der deutschen Politik der 1970er Jahren, welche, laut Papst, zwar nicht die Fenster aufgerissen habe, aber mindestens ein Schrei nach frischer Luft gewesen sei, den man nicht überhören dürfe.

Als in den 1970er Jahren die Fenster zwar kaum aufgerissen worden waren, aber immerhin der Schrei nach frischer Luft gehört wurde, so war das Klimagebet 50 Jahre später in der Heiliggeistkirche weit vom Öffnen der Fenster entfernt. Dennoch wehte mindestens, so schien es, durch einen kleinen Spalt eine frische Brise zum Atmen hinein.

Während des Klimagebets gab es viele kleine überraschende Momente und berührende Augenblicke, die einem nahe gingen – am Meistgenannten wurde unter diesen das Vaterunser auf ökologisch.

Für mich persönlich war es die Zeit des freien Gebets, in der jemand spontan einen Chorus anstimmte und anschließend die volle Kirche mit demselben Chorus antwortete. Es war, als würde der Schrei der Einzelnen nach frischer Luft in ein gemeinsames Gebet münden. Es war ein Momentum, in dem Ängste, Freude, Frust und das Leiden mit den Geschundenen dieser Erde über den Einzelnen hinausgingen.

Diejenigen, welche direkt sagen oder es indirekt in der Agenda ihrer Kirchgemeinde kommunizieren, Ökologie habe nichts mit Spiritualität zu tun, sind eingeladen: Kommt und seht!

Die Aufgabe der Kirche ist es nicht, Parteipolitik zu betreiben, sondern sie kann immer nur denjenigen verkünden, der sich zu dieser Erde hinunterbeugte. Dieser war zu seiner Zeit weder in Rom noch in Jerusalem ein willkommener Gast und gleichzeitig wurde er selbst Gastgeber für die unwillkommensten Gäste. Merkwürdigerweise wurde dieser Freund der Verachteten von den Mächtigen beachtet und gefürchtet.

Kurz vor den nationalen Wahlen steht die Klimademo zweifellos in einem politischen Raum. Es wäre Unsinn, das Klimagebet in einen unpolitischen Raum zu transferieren – denn ein Gebet, das an denjenigen gerichtet ist, der sich nicht zu schade war, den Gestrandeten und den Geringsten zu begegnen, ist immer politisch. Allerdings verlieh das Gebet der Klimademo einen anderen Sinn, indem es vor Augen führt und erinnert, dass der Schöpfergott dieser Erde, sie, und alles, was auf ihr lebt und blüht, nicht loslässt – aus Liebe zu seiner Schöpfung.

Vielleicht liegt es an der Größe des Themas, dass die eigene kleine Welt in den Hintergrund rückte und alle für einen Moment in der grossen Welt vereint waren. Die unterschiedlichen kirchlichen Traditionen und Organisationen des Vorbereitungsteams spielte kaum eine Rolle.

Der Dank geht an Sarah Bach (Ev.-meth. Kirche und Christliche Klimaaktion), Anna Näf (Ref. Kirche Winterthur), Susanne Schneeberger (Ref. Kirchen Be-Ju- So), Gaby Zimmermann (Kirche und Umwelt Kath. Kirche TG), Pavel Stöckmann aus der landeskirchlichen Gemeinschaft Jahu für seine musikalische Begleitung und vor allem an die zahlreich erschienenen Betenden. Und nicht zuletzt an den Schöpfergott dieser Erde, an den unsere Hoffnung gerichtet ist.

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